Bidirektionales Laden: Das E-Auto als Stromspeicher für dein Zuhause

26. Juni 2024

Lesedauer: Minuten

Bidirektionales Laden: Das E-Auto als Stromspeicher für dein Zuhause

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Jan Krumnacker

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Beim bidirektionalen Laden ist der Strom in deiner E-Autobatterie für mehr als zum Autofahren da. Du kannst die Energie zum Beispiel auch für den Haushalt oder zum Aufladen eines Elektrorollers unterwegs nutzen. In diesem Artikel erfährst du, wie bidirektionales Laden genau funktioniert, wo du es einsetzen kannst und welche Elektroautos die Funktion unterstützen.

So funktioniert bidirektionales Laden

Bidirektionales Laden verwandelt dein Elektroauto in einen Energiespeicher. Denn statt nur in eine Richtung, also vom Netz in die Batterie, kann der Strom mit dieser Technologie in beide Richtungen fliessen.

Ein Beispiel: Die Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert an einem sonnigen Sommertag mehr Strom, als der Haushalt verbraucht. Bidirektionales Laden heisst, dass du den überschüssigen Strom in der Autobatterie speichern und in der Nacht oder an Tagen mit wenig Sonne ins Hausnetz oder das öffentliche Stromnetz einspeisen kannst.

Dafür benötigst du eine Wallbox und ein Elektrofahrzeug, die jeweils mit einer bidirektionalen Ladeeinrichtung ausgestattet sind.

Beim bidirektionalen Laden kann der Strom von der E-Autobatterie wieder zurück ins Netz fliessen.

Das musst du zu Gleich- und Wechselstrom wissen

Im Haushaltsnetz wird Wechselstrom (AC) verwendet, während Elektroautos mit Gleichstrom (DC) fahren. Beim Ladevorgang der Autobatterie wird der Wechselstrom aus dem Netz mittels eines Gleichrichters in Gleichstrom umgewandelt.

Um die in der Batterie gespeicherte Energie wieder ins Stromnetz zurückzuspeisen, ist der umgekehrte Prozess notwendig: Der Gleichstrom wird mithilfe eines Wechselrichters wieder in Wechselstrom umgewandelt.

So kannst du den Strom aus deinem E-Auto weiterverwenden

Um Strom vom Elektroauto zurück ins Netzwerk zu speisen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Diese werden meist mit Abkürzungen wie V2X (Vehicle-to-Everything) oder V2H (Vehicle-to-Home) gekennzeichnet.

Über eine Benutzeroberfläche, die entweder direkt an der Wallbox oder über eine zugehörige App zugänglich ist, kannst du genau steuern, wie viel Strom deine Elektroautobatterie ins Netz zurückspeisen soll.

So kannst du zum Beispiel einstellen, dass die Batterie niemals unter einen bestimmten Ladestand fallen soll, damit du auch nach einer Woche mit wenig Sonnenlicht immer noch genug Saft für geplante Fahrten oder spontane Ausflüge hast.

Wir haben dir hier eine Übersicht der 3 bekanntesten V2X-Varianten zusammengestellt:

V2H: Vehicle-to-Home

Bei V2H wird das Elektroauto als Batteriespeicher zur Versorgung des Hauses genutzt.

Dabei schliesst du dein Elektroauto in der Garage ganz normal an die Wallbox an. Die Batterie wird aufgeladen und sobald du den Strom im Haus benötigst, kann sie die Energie wieder ins Hausnetz einspeisen.

Dies ist besonders für Eigenheimbesitzer:innen mit einer Solaranlage interessant, da sie ihren eigenen Strom speichern können und somit unabhängiger vom Stromnetz werden.

Beispiel: Ein 4-Personen-Haushalt benötigt in einem Einfamilienhaus circa 5’200 kWh pro Jahr. Die grössten aktuell erhältlichen Autobatterien speichern ungefähr 100 kWh. Folglich kann eine Autobatterie in etwa so viel Strom speichern, wie die vierköpfige Familie für eine Woche benötigt.

V2L: Vehicle-to-Load

Die Variante V2L ermöglicht die Versorgung externer Geräte. Über eine herkömmliche Steckdose mit 3.6 kW können Geräte wie beispielsweise ein Laptop oder E-Bike-Akku geladen werden. Du brauchst dazu einen V2L-Adapter, der es dir ermöglicht, normale elektrische Geräte direkt an das Fahrzeug anzuschliessen.

Insbesondere für Campingfans bietet es sich an, Wohnmobil-Equipment, wie zum Beispiel eine Kaffeemaschine oder auch eine portable Klimaanlage, auf diese Weise mit Strom zu versorgen.

V2G: Vehicle-to-Grid

Mit der Lösung V2G wird die Entladung gezielt ins gesamte Stromnetz eingespeist. Wenn gerade zu wenig Strom durch Solar- oder Windenergie produziert wird, kann auf die Autobatterien zurückgegriffen werden. Das hilft dabei, das Stromnetz zu stabilisieren.

Dafür muss aber entweder das Auto den Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln oder es braucht eine Wallbox, welche die Umwandlung übernimmt.

Es gibt mittlerweile diverse V2G-Möglichkeiten. In der Schweiz befindet sich das Ganze jedoch noch in der Entwicklungsphase und ist aktuell noch wenig verbreitet.

Die Wallbox muss passen: Voraussetzung, um bidirektional laden zu können

Damit du bidirektional laden kannst, muss die Ladeinfrastruktur passen. Das heisst, nicht nur dein E-Auto, sondern auch deine Wallbox muss diese Technologie unterstützen. Das Problem: Eine solche Wallbox ist sehr teuer.

Beispielsweise kostet eine bidirektionale Wallbox vom Typ V2H mit 10 kW gut 18’000 Franken. Eine unidirektionale Wallbox vom Typ EM2GO mit AC-Charger und 22 kW ist für unter 1’000 Franken erhältlich.

Welche Elektroautos unterstützen bidirektionales Laden?

Nicht alle Elektroautos unterstützen das bidirektionale Laden. Ob dein Auto dafür eingesetzt werden kann, solltest du vor dem Kauf beim Händler deines Vertrauens abklären. Mit diesen Modellen ist es zurzeit möglich (Aufzählung nicht abschliessend):

Tipp: Wenn das E-Auto mit einem CHAdeMO-Ladeanschluss ausgestattet ist, hast du aber bereits einen guten Anhaltspunkt, dass es bidirektionales Laden unterstützt. Das ist bei vielen Elektroautos von asiatischen Herstellern der Fall.

Lastmanagement: So unterstützt bidirektionales Laden das gesamte Stromnetz

Elektroautos können als flexible Stromspeicher dienen, mit denen sich Produktions- und Bedarfsschwankungen ausgleichen und Leistungsspitzen im Verteilnetz brechen lassen. Nach dem Peak wird die Batterie wieder geladen.

Durch bidirektionales Laden wird die Elektromobilität also netzdienlich und trägt dazu bei, dass weniger Netzausbauten nötig sind. Damit können E-Autos einen wichtigen Beitrag zur effizienteren Energieverwendung leisten.

Denn: Wenn am Morgen alle Firmen zur gleichen Zeit ihre Maschinen starten oder am Feierabend alle Haushalte ihre elektrischen Geräte nutzen, entstehen sogenannte Lastspitzen im Stromnetz. Also kurze Zeiten, in denen besonders viel Strom verbraucht wird.

Zurzeit werden sie durch sogenannte Spitzenlastkraftwerke ausgeglichen, was jedoch mit hohen Kosten verbunden ist. Eine Alternative dazu ist das Peak Shaving – das Glätten von Lastspitzen. Dabei wird während des Peaks auf eine alternative Stromquelle, wie zum Beispiel Autobatterien von E-Autos, zurückgegriffen.

Peak Shaving: Bidirektionales Laden kann das Stromnetz bei Belastungsspitzen entlasten

Bidirektionales Laden in der Schweiz

Es ist in der Schweiz erlaubt, bidirektionale Ladestationen sowie Wallboxen zu installieren und zu betreiben. Es braucht dazu aber die Bewilligung des lokalen Verteilnetzbetreibers. Seit dem 01.01.2022 können bidirektionale Ladestationen regulär mittels aktualisiertem technischem Anschlussgesuch (TAG) beim Verteilnetzbetreiber angemeldet werden.

Standardisierte Normen vereinfachen bidirektionales Laden

Im April 2023 wurde die internationale Norm ISO 15118-20 eingeführt. Sie definiert, wie Elektroautos und Ladeeinrichtungen für bidirektionales Laden miteinander kommunizieren. Zudem bestimmt sie, wie die Daten über den Batterieladezustand und die Stromflussmöglichkeiten zwischen dem Fahrzeug und der Ladeinfrastruktur übertragen werden.

Dies erleichtert die Implementierung von bidirektionalem Laden, da Hersteller und Infrastrukturentwickler nun eine klare Richtlinie haben, wie der Informationsaustausch zu gestalten ist.

Technische Herausforderungen und mögliche Lösungen

Obwohl bidirektionales Laden viele Vorteile bietet, gibt es einige technische Herausforderungen:

  • Batterie: Das häufigere Laden und Entladen kann die Lebensdauer der Batterie verkürzen. Dadurch musst du sie vorzeitig reparieren oder ersetzen. Eine mögliche Lösung sind intelligente Batteriemanagementsysteme. Sie können die Belastung der Batterie genau steuern, sodass der Verschleiss minimiert wird.
  • Stromnetz: Das Einspeisen überschüssiger Energie zurück ins Netz kann zu Überlastungen oder Spannungsschwankungen führen und die Stabilität des Stromnetzes beeinträchtigen. Um das zu verhindern, müssten Smart-Grid-Technologien vermehrt zum Einsatz kommen. Diese ermöglichen eine intelligente Steuerung der Energieflüsse im gesamten Stromnetz.
  • Gesetz: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden sind noch nicht vollständig entwickelt, da Elektroautos rechtlich derzeit nur als PW und nicht als Batteriespeicher gelten. Um die Integration von Elektroautos als Energiespeicher im Mobilitätsmarkt zu ermöglichen, ist eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich.

Fazit: Bidirektionales Laden hat viel Potenzial

Die Vorteile, die das bidirektionale Laden für die Energielandschaft und für Elektroauto-Besitzer:innen bietet, sind gross. Elektroautos können als mobile Energiespeicher dazu beitragen, Lastspitzen zu managen und die Abhängigkeit von traditionellen Energiequellen zu reduzieren.

Der Ausbau der erforderlichen Infrastruktur und die Schaffung klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen sind dabei entscheidend, um das volle Potenzial des bidirektionalen Ladens in Zukunft zu nutzen.

In der Schweiz fehlen aber noch einige Schritte, bevor es zum Standard wird. Auch saisonale Probleme, wie beispielsweise eine mögliche Stromknappheit im Winter, werden durch das bidirektionale Laden nicht gelöst.

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